Pressemitteilung

„Der klimaresiliente Umbau der Strukturen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die vernetztes Denken und nachhaltige Konzepte braucht. Wir bringen die Erfahrung der Wasserwirtschaft aktiv mit ein.“

– bei Nennung der Quelle frei zur sofortigen Veröffentlichung –

Interview mit AöW-Vizepräsident Olaf Schröder

„Der klimaresiliente Umbau der Strukturen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die vernetztes Denken und nachhaltige Konzepte braucht. Wir bringen die Erfahrung der Wasserwirtschaft aktiv mit ein.“

Zentrale Aspekte aus Sicht Schröders sind: Vorrang für die öffentliche Wasserversorgung konsequent durchsetzen – Gemeinwohlorientierung als Chance stärken – Förderprogramme für resiliente Infrastrukturentwicklung schaffen


Berlin/Peine – Nutzungskonkurrenzen um das Wasser sind auch in Deutschland nicht neu: Die Bemühungen im Hessischen Ried, die Diskussionen um Wasser aus der Lüneburger Heide für Städte im Norden oder neue Coca-Cola-Förderbrunnen in Niedersachsen sind nur einige der jüngsten Beispiele, die öffentliches Interesse fanden. Angesichts des fortschreitenden Klimawandels werden sich solche Nutzungskonkurrenzen um die begrenzte Ressource weiter verschärfen – wie immer in der Wasserversorgung mit teils sehr unterschiedlich zu erwartender regionaler Betroffenheit. Dazu AöW-Vizepräsident Olaf Schröder im Interview:

Die Folgen des Klimawandels sind auch in der öffentlichen Wasserwirtschaft angekommen. Welche Weichenstellungen und Prioritäten müssen jetzt bei der Nutzung von Wasserressourcen gesetzt werden?

Wir sprechen uns für den konsequenten Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung aus und fordern die Politik auf, auch in anderen Sektoren den sparsamen und sorgsamen Umgang mit Wasser mit geeigneten Anreizen voranzubringen. Die Forderung nach Vorrang für die öffentliche Wasserversorgung ist keine neue Forderung und bereits rechtlich verankert, allerdings wurde sie bisher noch nicht konsequent genug durchgesetzt. Das haben die trockenen, heißen Sommer der letzten Jahre gezeigt: Versorger mussten die Bürger zu sparsamem Gebrauch aufrufen und bei Überschreitung der genehmigten Mengen zu temporär begrenzten Spitzenzeiten selbst empfindliche Bußgelder zahlen. Gleichzeitig wurde etwa in Niedersachsen der Bemessungszeitraum für die Kontingente der Feldberegnung für die Landwirtschaft verlängert und damit entsprechend höhere Entnahmen in einem Jahr möglich – aus Sicht der Wasserversorger eine unfaire Ausgestaltung. Statt Effizienzen in der Technik und damit Einsparpotenziale in anderen Sektoren wie der Landwirtschaft oder der Industrie weiter zu heben, wird Mehrmengen-Bedarf angemeldet. Zudem entwickelt das Wasserentnahmeentgelt, so es denn in den Ländern erhoben wird, keine ökologische Lenkungswirkung, da die Nutzung durch Großverbraucher wie die landwirtschaftliche Feldberegnung oder die Entnahme zur Kraftwerkskühlung sehr günstige Konditionen erhalten – auch und gerade im Vergleich zur öffentlichen Wasserversorgung, die etwa in Niedersachsen bis zum Zehnfachen pro Kubikmeter im Vergleich zur landwirtschaftlichen Entnahme für Beregnungszwecke bezahlen muss. So eine Ausgestaltung regt nicht zu sparsamem Wassereinsatz an.

Was sind Ihre politischen Erwartungen an die Entscheidungsträger?

Die Diskussionen zur Nationalen Wasserstrategie des BMU sowie die Beratungen in den Bundesländern in den letzten Monaten haben erneut gezeigt, dass der Vorrang für die öffentliche Versorgung noch nicht konsequent genug über alle Ebenen gedacht wird. In Zeiten des fortschreitenden Klimawandels und zunehmender Konkurrenz um die lebensnotwendige Ressource gilt es also, den Vorrang nicht nur gesetzlich klar zu regeln, sondern diesen Vorrang auch wirksam durchzusetzen: mit klaren Vorgaben, mit konsequenten Kontrollen und mit spürbaren Sanktionen bei Verstößen. Hier erwartet die öffentliche Wasserwirtschaft deutlich mehr politischen Einsatz und Vollzug durch die entsprechenden Behörden. Dazu gehören klare Rahmenbedingungen, wirksame Kontrollen und spürbare Sanktionen.

Die Daseinsvorsorge ist nach wie vor Motor für die Entwicklung gleichwertiger Lebensverhältnisse in unserem Land. Die öffentliche Wasserwirtschaft braucht als wesentlicher Bestandteil der Daseinsvorsorge gerade jetzt für ihre nachhaltigen Strategien Verlässlichkeit, Planungssicherheit und die politische Unterstützung für ihre gemeinwohlorientierte Aufgabe: Das betrifft die Weiterentwicklung von Wasserrechten und die Auflösung von Nutzungskonkurrenzen genauso wie die finanzielle Förderung zum Erhalt der Infrastruktur in der Fläche. Nur so kann das Ziel einer sicheren und bezahlbaren Trinkwasserversorgung angesichts der klimatischen Herausforderungen weiter flächendeckend in Deutschland umgesetzt werden.

Bisher waren Infrastrukturhilfen – wie aktuell auch im Deutschen Aufbau- und Resilienzplan (DARP) – für den Ausbau der Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung des öffentlichen Sektors nicht vorgesehen. Hier sollte die Politik den Weg frei machen – zum direkten Wohl des Bürgers. Denn mit dem fortschreitenden Klimawandel entfaltet das Wasser noch einmal neue Herausforderungen: von punktuell zu viel Wasser (Starkregen, Hochwasser) bis zu wenig Wasser (Dürreperioden, Nutzungskonkurrenzen) gilt es, ein intelligentes Wassermanagement aufzubauen und die Infrastruktur klimaresilient aufzustellen. Die Finanzierung für den Erhalt und Umbau solch komplexer Infrastruktursysteme wird nicht mehr allein über den Wasserkunden erfolgen können – und der Aufwand für den Substanzerhalt wird steigen. Der klimaresiliente Umbau der Strukturen, vom Wasserrückhalt in der Fläche bis zum unterirdischen Speichern in urbanen Umgebungen beim Prinzip der Schwammstadt, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie dient vielen Nutzergruppen auf ganz unterschiedliche Weise. Sie öffentlich zu fördern ist lohnenswert: Fördermittel sichern eine gut ausgebaute Infrastruktur in der Fläche und damit gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Wie sehen Sie die Rolle der öffentlichen Wasserwirtschaft, wenn es um Klimafolgenanpassung, Sicherstellung der öffentlichen Wasserversorgung oder Umsetzung der Nationalen Wasserstrategie geht?

Die öffentliche Wasserwirtschaft übernimmt weiter Verantwortung. Sie wird auch künftig ein engagierter und zielorientierter Partner für mögliche Lösungsstrategien bei diesen Themen sein. Es muss darum gehen, die bewährten Instanzen, von den Versorgern über die Behörden bis zu den Wassernutzern, intelligent in einem integrativen Ansatz zusammenzuführen und so die Stärken jedes Fachbereichs zu nutzen und etwaige Doppelstrukturen in Projekten zu vermeiden. Eine einfache Verlagerung von weiteren Aufgaben und Zuständigkeiten von Behörden hin zur öffentlichen Wasserwirtschaft, wie es in einigen Ideen der Nationalen Wasserstrategie immer wieder aufblitzt, ist zu kurz gesprungen. Deshalb sollte die öffentliche Wasserwirtschaft früh in solche Entwicklungsprojekte rund ums Wasser eingebunden werden.

Mit ihrer Fachexpertise, ihrer langjährigen Erfahrung vor Ort und ihren regionalen, auf Nachhaltigkeit angelegten Konzepten ist gerade die öffentliche Wasserwirtschaft der bewährte Partner für die politischen Entscheidungsträger, die Nationale Wasserstrategie auszugestalten und weiterzuentwickeln und so die Daseinsvorsorge zu stärken. Wir sind in den kommunalen Strukturen bestens vernetzt und mit unseren Leistungen immer ganz nah bei den Bürgerinnen und Bürgern und an deren Bedürfnissen orientiert.

Nachhaltigkeit und Gemeinwohlorientierung sind bereits fester Bestandteil unserer DNA – erfolgreiche Grundlage, um auch die Weiterentwicklung des Wassermanagements ökonomisch wie ökologisch effizient voranzutreiben. Damit ist die öffentliche Wasserwirtschaft der natürliche Partner für intelligente und regional passende Lösungen, um die Bewirtschaftung der begrenzten Ressource auch künftig verantwortungsvoll und engagiert auszugestalten.

Die Aufgabenfülle, der sich die öffentliche Wasserwirtschaft widmet, nimmt weiter zu: Neben der anspruchsvoller werdenden Sicherung der Trinkwasserversorgung rund um die Uhr, Stichwort Nutzungskonkurrenzen und Qualitätssicherung mit Blick auf Nitrat und Pflanzenschutzmittel, über die politischen Forderungen an die Abwasserreinigung, von der 4. Reinigungsstufe über die Klärschlammentsorgung bis zur Abwasserabgabe, bis zur Ausgestaltung und Umsetzung von Wassermanagementkonzepten mit regionaler Wasserrückhaltung, Abflusssteuerungen, Hochwasserschutzprojekten usw. wird unsere Fachkompetenz für regional stimmige Konzepte unerlässlich sein – zugleich aber auch unser Aufgabenportfolio in den kommenden Jahren erweitern.

Wir als Unternehmen der öffentlichen Wasserwirtschaft denken bereits in Kreisläufen, in nachhaltigen, integrierten Szenarios – anders könnten wir die Versorgungssicherheit gar nicht gewährleisten. Mehr denn je benötigen wir im Umgang mit der knappen Ressource Wasser auch das integrale Denken in anderen Sektoren und letztendlich bei den politischen Entscheidern in Bund, Land und in den Kommunen, die diese verschiedenen Bereiche konsequent vernetzt denken müssen. Dafür sind erste Schritte mit dem Entwurf der Nationalen Wasserstrategie des BMU gemacht. Dieses vernetzte Denken muss die Politik weiter vertiefen und aktiv ausgestalten, damit gut gemeinte Initiativen auf der einen Seite, nicht die Probleme beim Wasser auf der anderen Seite erst schaffen und etwa noch verschärfen, wie das Beispiel der Biogas-Anlagen-Förderung deutlich macht: Hier hat die Idee regionaler Energieerzeugung über den damit verbundenen Energiemaisanbau zu deutlichen Nitrateinträgen geführt – ein Qualitätsproblem für die Trinkwasserversorgung in manchen Regionen. Solche Fehlanreize gilt es mit einer integralen Betrachtungsweise künftig zu vermeiden.

Welche Vorteile vereinen die öffentlichen Unternehmen in der Wasserwirtschaft?

Während bei privaten Beteiligungen zwingend Profit erwirtschaftet werden muss, dient die gemeinwohlorientierte öffentliche Wasserversorgung nur einem Zweck: der Versorgungssicherheit – und das in der Fläche, hier gibt es keine betriebswirtschaftlich lohnenswerte „Rosinenpickerei“, keine abgehängten Regionen.

Gerade diese Gemeinwohlorientierung der öffentlichen Wasserwirtschaft ist der Garant dafür, dass ressourcenschonend und mit Langfristperspektive gearbeitet wird – sowohl bei der Wasserverwendung als auch dem Einsatz der Finanzmittel. Investitionen kommen voll der Gemeinschaft zugute. Die eingesetzten Finanzmittel dienen komplett der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, im ländlichen wie im urbanen Raum gleichermaßen. Die gemeinwohlorientierte Wasserwirtschaft, die bereits in vielen Benchmarks bewiesen hat, wie effizient sie arbeitet, ist der ideale Partner für nachhaltigen Infrastrukturerhalt und die Weiterentwicklung von Wassermanagement-Konzepten sowie den klimaresilienten Ausbau, der zunehmend an Bedeutung gewinnen wird.

Die öffentliche Wasserwirtschaft setzt sich aufgrund ihrer gemeinwohlorientierten Prägung auch weiter für Wasser in kommunaler Hand ein – die Wasserwirtschaft darf nicht privatisiert oder liberalisiert werden, damit würde man die Vorteile der Gemeinwohlorientierung, und damit den Kern des Vorteils der öffentlichen Hand, aufgeben.

Die AöW – als die wasserpolitische Interessenvertretung – baut auf eine starke Unterstützung, Vernetzung und Mitwirkung der öffentlichen Wasserwirtschaft sowie der Kommunen und fördert den Dialog in Sachen nachhaltiger Entwicklung, um die Bedeutung der gemeinwohlorientierten Wasserwirtschaft in öffentlicher Hand gegenüber Politik und Gesellschaft für die anstehenden Herausforderungen deutlich zu machen sowie die Chancen und Potenziale aktiv zu nutzen – zum Wohl unseres Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger.

Das Gespräch führte Dr. Durmuş Ünlü

Weiterführende Informationen:

AöW-Position, Nutzungskonkurrenz über Wasserressourcen [PDF]

AöW-Position, „Von Starkregen bis Hitzestress: Know-how und Potentiale der öffentlichen Wasserwirtschaft für Klimafolgenanpassung nutzen!“ [PDF]    

Kontakt:

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

E-Mail: uenlue(at)aoew.de

Tel.: 0 30 / 39 74 36 06

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Die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft e.V. (AöW)

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